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HanNAH

HanNAH

Am 6. März um 18 Uhr wird mit "HanNAH" die Reihe Musik um 6 fortgesetzt. Anlässlich des 100. Geburtags von Hannah Arendt entstand die Komposition Musik für Akkordeon und Live-Elektronik im Auftrag des Deutschlandfunks.
Der Eintritt ist frei.

Programm:
Musik um 6: HanNAH
Musik für Akkordeon und Live-Elektronik
entstanden als Auftragskompositionen des Deutschlandfunk
anlässlich des 100. Geburtstags von Hannah Arendt


Margit Kern: Akkordeon
Ali Gorji, Joachim Heintz, Charlotte Seither - Klangregie

Die bei der Veranstaltung zu hörenden Texte
von Hannah Arendt werden gelesen von Jörg Holkenbrink
Das Konzept wurde von allen Beteiligten gemeinsam entwickelt

Im Raum sehen Sie außerdem Objekte zu Texten von Hannah Arendt von
Doris Weinberger

"Das Faktum menschlicher Pluralität, die grundsätzliche Bedingung des Handelns wie des Sprechens, manifestiert sich auf zweierlei Art, als Gleichheit und als Ver­schiedenheit. Ohne Gleichartigkeit gäbe es keine Verständigung unter Lebenden, kein Verstehen der Toten und kein Planen für eine Welt, die nicht mehr von uns aber doch von unseresgleichen bevölkert sein wird, bedürfte es weder Sprache noch des Handelns für eine Verständigung... Sprechend und handelnd schalten wir uns in die Welt der Menschen ein, die existierte, bevor wir geboren wurden, und diese Ein­schaltung ist wie eine zweite Geburt, in der wir die nackte Tatsache des Geboren­seins bestätigen, gleichsam die Verantwortung dafür auf uns nehmen."
(Hannah Arendt aus "Vita Activa" Stg. 1960)
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Zu den Künstlerinnen und Künstlern:

Joachim Heintz (* 1961)
Schlagschatten (2006)
für Akkordeon und Live-Elektronik
Dieses Stück handelt von Schlägen und von dem, was sich in ihrem Schatten ereig­net. Es ist eine Art musikalischer Untersuchung über das Leben in diesem Schatten; über das, was sich in ihm bewegt, was erstarrt, was wiederkommt oder sich verändert. Über Kräfte verschiedenster Art, in einem musikalischen Raum. Diese Musik möchte keine Abbildung sein und kein vordergründiger Protest, sondern Verarbeitung. Ein Verdauungsversuch sozusagen, am Rande der gegenwärtigen weltpolitischen Schläge. In einer ganz anderen Sprache als Hannah Arendt, in einem ganz anderen Modus, doch mit einem verwandten Blickwinkel, wie mir scheint. In ihrem Vorwort zu "Menschen in finsteren Zeiten" spricht sie von einem "unsicheren, flackernden und oft schwachen Licht", das im Leben Einzelner mehr als Begriffe und Theorien etwas Erhellung bringen kann. Musik mag ein solch flackerndes Licht sein.

Ali Gorji (* 1978)
Flatterflügel (2006)
für Akkordeon und Live-Elektronik
In einem Martin Heidegger gewidmeten Text von Hannah Arendt, wo es um das Denken und den Denker geht, werden unter anderem zwei Eigenschaften des Denkers ausgesprochen. Die eine ist die Fähigkeit, "das eigentlich Resultathafte seines Gedachten aufzulösen und zwar einfach dadurch, dass er es aufs neue bedenkt." Die andere ist (im besonderen auf Heidegger bezogen) die Annahme des Denkens und des damit verbundenen Einsamseins als sein Wohnsitz, welcher trotz stürmischer Züge ein "Ort der Stille" ist. Diese faszinierenden Gedanken dienten dem Stück als ideelle Grundlage.
Der Titel bezieht sich auf einen Vergleich - spinnt man den Grundgedanken fort - des werdenden Denkers, der seinen Wohnsitz sucht, mit dem Schatten Zarathustras in Nietzsches "Buch für Alle und Keinen", der mit seinem Flatterflügel und zerbrochenen Rückgrat auf der Suche nach einem Heim ist.


Charlotte Seither (* 1965)
Inventaire de départ (2006)
für Akkordeon und Live-Elektronik
Ausgangspunkt war, dass ich die horizontale Linie, den stehenden Klang, aufspalten wollte in viele kleine, oft heterogene Partikel, aus denen sich Klang schließlich neu zusammensetzt. Es waren die Möglichkeiten der zwei sich beim Akkordeon weitgehend überlappenden Manuale, die mich reizten, den Klang so ineinander zu verschachteln, dass Bewegung/Impulsenergien in Farbe umschlagen und Farbe in Impuls/Bewegung. Was für die Aufspaltung des Tones im einzelnen Moment gilt, beschäftigte mich zugleich auch in den Syntheseverfahren der Elektronik wie auch in der Form im Ganzen: während die Partitur im einzelnen ein hoch virtuoses Notenbild aufweist, schlägt diese Komplexität durch die zunehmende Dehnung im Faktor Zeit schließlich um ins ruhig Flächenhafte.
Herzlichen Dank an Georg Morawietz und Gerd Rische vom Studio für elektro­akustische Musik der Akademie der Künste, die mir bei der Realisierung des Zuspielbandes behilflich waren.

Margit Kern, geboren 1967 in der Nähe von Darmstadt, studierte Akkordeon bei Hugo Noth an der Staatlichen Hochschule für Musik in Trossingen und bei Matti Rantanen an der Sibelius Akademie in Helsinki. An Anneli Arho-Tiensuu wurde sie in der Analyse von Neuer Musik unterrichtet.

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